Direkt zum Inhalt springen
  • Drucken
  • Sitemap
  • Schriftgrösse

Schreck & Schraube. Weltindustrie im Thurgau - Die neue Sonderausstellung des Historischen Museums Thurgau

Mostindien müsste eigentlich Rostindien heissen. Denn was viele nicht wissen: Der Thurgau gehört zu den früh industrialisierten Gebieten Europas. Bereits im 17. Jahrhundert entsteht hier eine florierende Industrie, welche die Gesellschaft und das Land nachhaltig verändert. In der Sonderausstellung «Schreck & Schraube. Weltindustrie im Thurgau» thematisiert das Historische Museum Thurgau vom 23. März bis 21. Oktober 2018 diese wenig bekannte Seite des Apfelkantons.

Der Thurgau gilt als Landwirtschaftskanton. Dieses Bild entspricht nicht der Realität, gehört doch das Land an der Thur zu den früh industrialisierten Gegenden Europas. Vor mehr als 300 Jahren beginnen die ersten Maschinen, die Arbeit der Menschen zu ersetzen. Die Rhythmen und Mechanismen der Fabrikarbeit schrauben sich nach und nach in den Alltag der Arbeitenden hinein, nähren Erwartungen und Fortschrittsglauben, aber auch Angst und Schrecken. In zehn Kapiteln rollt die Sonderausstellung im Alten Zeughaus Frauenfeld die Geschichte des industriellen Kulturerbes im Thurgau auf und verdeutlicht mit konkreten Bezügen zur Gegenwart die Aktualität der Thematik.

Thurgauer Pioniere

Gonzenbach in Hauptwil, Saurer in Arbon, Greuter in Islikon oder Martini in Frauenfeld: Die Liste der brillanten Tüftler und cleveren Unternehmer im Thurgau ist lang. Ihre Errungenschaften ziehen sich als roter Faden durch die Ausstellung. Mittels beeindruckender Objekte, Animationen und Hörstationen erfahren Besucherinnen und Besucher, wie neue Geräte und Techniken die Produktion ab dem 19. Jahrhundert verbessern und beschleunigen. Textilien aus dem Thurgau werden zu Exportschlagern, der Aussenhandel und die Wirtschaft in der Ostschweiz brummen. Doch auf wessen Buckel?

Schattenseiten der Industrialisierung

Wo Sonne ist, ist auch Schatten. Umweltschäden, soziale Konflikte, Ausbeutung und gesundheitliche Risiken sind die Kehrseiten des Fortschritts – damals wie heute. Kapitel wie «Kinderarbeit», «Angst» und «Ausländer» konfrontieren die Besucher mit der harten Realität der Industrialisierung. Sie zeigen, wie solch gravierende Probleme früher gehandhabt wurden und wie wir eklatante Missstände heute erfolgreich aus unserem Blickfeld in die Entwicklungsländer verbannen.

Schweizer Erfolgsrezepte

Konjunkturkrisen treffen die Alpenrepublik mitten in Europa jeweils hart. Gleichwohl ist die Geschichte der Wirtschaft unseres Landes von Erfolg geprägt. Was zeichnet das Schweizer Gewerbe aus? Ein Sektor der Ausstellung verdeutlicht anhand ausgewählter Thurgauer Beispiele, warum Erfindergeist, Anpassungsfähigkeit, Qualitätsarbeit und ein hoher Bildungsgrad Garanten für Wachstum und Erfolg sind.

Webarchiv Meine Industriegeschichte

Das Historische Museum Thurgau beschäftigt sich schon länger und auf mehreren Ebenen mit der Aufarbeitung der Thurgauer Industriegeschichte. Seit 2014 läuft etwa das pionierhafte Oral-History-Projekt meineindustriegeschichte.ch, eine Kombination aus Datenbank und öffentlicher Webseite. Zeitzeugen, Objekte und ihre Geschichten werden auf der interaktiven Seite gespeichert und dem Publikum zugänglich gemacht. Die Schweizerische Nationalbibliothek hat dieses zukunftsweisende Webprojekt als bedeutungsvoll eingestuft und im Rahmen des bundesweiten Sammlungsprojekts «Webarchiv Schweiz» für die Langzeitarchivierung ausgewählt. Das Konzept zu «Schreck & Schraube. Weltindustrie im Thurgau» ist aus diesem raffinierten Webprojekt heraus entstanden. Highlights der Webseite finden sich in der Ausstellung wieder. Um das Archiv weiterzuentwickeln, ist bereits zum zweiten Mal eine Kooperation mit der Kantonsschule Frauenfeld im Gang, die Schülerinnen und Schüler animiert, Thurgauer Industriegeschichten zu recherchieren und in die Web-Plattform einzuspeisen.

Erleben, Forschen und Lernen

Das Angebot für Schulklassen zu dieser Ausstellung ist auch sonst topaktuell. In stufengerechten und am Lehrplan orientierten interaktiven Führungen erforschen Schülerinnen und Schüler, was Maggi-Fertigsuppe und ISA-Unterwäsche, was ein 200 Jahre alter Druckstempel aus dem Greuterhof mit einer Jeans von C&A gemeinsam haben. Sie lernen den Thurgau als Labor der Industrialisierung kennen und testen dabei vieles selbst aus. Angebote gibt es für die Primarschule ab der fünften Klasse sowie für Sekundarschule I und II. Ein Novum ist eine fächerübergreifende Führung auf Englisch. Hier gilt es, den englischen Wortschatz zur Industrialisierung zu erweitern und gleichzeitig das historische Wissen zu dieser aufreibenden Zeit zu vertiefen.

Vielfältige Angebotspalette

Roboter, Migration und Auslandsproduktion. Wie sieht die Zukunft der Arbeit aus? Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft debattieren über dieses brandheisse Thema in einer Diskussionsrunde. Öffentliche Führungen, Referate, Museumshäpplis und eine Wissenschaftstagung öffnen den Blick auf weitere Spezialthemen. Der Höhepunkt an Führungen ist die Bekanntschaft mit einer Maschine aus England, die der Arbeiterschaft ab dem 18. Jahrhundert das Fürchten lehrt: die Spinning Jenny, erste industrielle Spinnmaschine und Ikone der Veränderungen dieser Zeit. Ist der eigens für das Museum hergestellte Nachbau einer Spinning Jenny in Betrieb, wird schlagartig klar, wie fundamental der technische Fortschritt das Leben der Arbeiterinnen und Arbeiter revolutioniert hat.

Industriegeschichte an Originalschauplätzen

Mit Druckworkshops, öffentlichen Expertenführungen, Tagen der offenen Tür und weiteren Ausstellungen ermöglichen regionale Industriemuseen und -standorte das besondere Erlebnis, Industriegeschichte im Thurgau an Originalschauplätzen zu erleben und sensibilisieren so das breite Publikum für das reiche industrielle Kulturerbe in unserem Kanton.

Die ersten zwei öffentlichen Führungen im Alten Zeughaus Frauenfeld hält Ausstellungskurator Dr. Dominik Schnetzer unter dem Titel «Am Puls der Zeit. 300 Jahre Thurgauer Weltindustrie in 60 Minuten». Sie finden am Samstag, 24. März 2018, um 13.30 und 15 Uhr statt. Der Eintritt ist frei.

Das Rahmenprogramm, Pressebilder zum Download sowie die Schulangebote und weitere Informationen finden sich auf der Website des Museums unter: historisches-museum.tg.ch. Öffnungszeiten: Di–So, 13–17 Uhr, Eintritt frei.

Zwei Martini-Autos auf dem Bleicheareal in Frauenfeld, um 1905. Bild: Fotosammlung Hansulrich Guhl, Frauenfeld
Zwei Martini-Autos auf dem Bleicheareal in Frauenfeld, um 1905. Bild: Fotosammlung Hansulrich Guhl, Frauenfeld